Quartier Avanchets, Quelle: © Blaise Lambert

Um das Engagement unter den lokalen Einwohnerinnen und Einwohnern anzuregen, haben sich Schweizer Gemeinden in den vergangenen Jahren einiges einfallen lassen. Stationäre Nachbarschaftshilfen oder freiwillige Besuche im Altersheim sind dabei nur zwei Beispiele. Die Westschweizer Gemeinde Vernier hat beim Versuch, die Nachbarschaft besser zu vernetzen, ein in der Schweiz einmaliges Projekt gestartet: Die Einwohnerinnen und Einwohner sollen mit selbstinitiierten Projekten die Infrastruktur in der eigenen Wohnumgebung verbessern.

Vernier ist mit mehr als 35’000 Einwohnerinnen und Einwohnern die zweitgrösste Stadt im Kanton Genf. Die Gemeinde am rechten Rhoneufer ist jedoch auch für ihre sozialen Herausforderungen bekannt: Die Arbeitslosenrate von 8,5 Prozent ist eine der höchsten im Kanton, das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen das kantonsweit tiefste, weshalb jeder Fünfte auf Sozialhilfeleistungen angewiesen ist. Die Kluft zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen und -schichten stellt ein weiteres Problem dar, womit die Gemeinde täglich konfrontiert ist. Die Antwort auf die sozialen Mängel besteht aus “Quartiersverträgen”, durch welche die fünf Wohngebiete von Vernier ihre Ideen eigenständig umsetzen können.

Jährliche Infoversammlung, Quelle: © Ville de Vernier

Die fünf selbstbestimmenden Quartiere

Vernier besteht aus den Stadtteilen Aïre – le Lignon, Avanchets, Châtelaine-Balexert, Vernier-Village und Libellules – Gordon-Bennett. In dieser Reihenfolge wurden die Quartiere in den letzten 14 Jahren in das Projekt der partizipativen Demokratie miteinbezogen. Dabei reflektieren Arbeitsgruppen von bis zu 15 Mitgliedern zusammen mit ihrem Quartier über mögliche Projekte, die es für eine bessere Lebensqualität umzusetzen gilt: “Die Einwohner haben die Möglichkeit anzurufen, per E-Mail an die Projektgruppen zu schreiben oder ein Formular auf der Internetseite ihres Quartiersvertrags auszufüllen, um ein Projekt von gemeinsamem Nutzen zu hinterlegen”, so Robin Realini, operativer Unterstützer der Bezirke. Der Lenkungsrat, der sich unter anderem aus Partei-, Unternehmens- und Verbandsmitgliedern zusammensetzt, evaluiert anschliessend die eingegangenen Ideen und versorgt die Quartiere mit den für die Umsetzung nötigen finanziellen Mitteln. Anhand des Austauschs auf Augenhöhe zwischen Gemeinde und Quartiersvertretern ist Vernier ein Vorzeigemodell für ein kooperatives Zusammenleben.

Einweihung des Urban-Gardening-Projekts in Avanchets, Quelle: © Ville de Vernier

341 erfolgreiche Umsetzungen

Zu den unzähligen realisierten Projekten gehören unter anderem ein Aufnahmestudio in Vernier-Village, ein Eisfeld in Aïre und das Kulturfestival “MixCité” in Lignon. Nicht zuletzt führte die partizipative Demokratie zu einem stärkeren Zusammenhalt und einer steigenden Solidarität in den jeweiligen Wohngebieten: “Mit der Initiierung des Projekts erreichten wir die Schaffung und Festigung von Verbindungen zwischen Einwohnern, lokalen Institutionen, Verwaltungsdiensten und politischen Behörden. Zudem konnte das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden, das nicht nur auf „Staatsangehörigkeit“ und „politischen Rechten“ basiert”, so Realini weiter.

Mit der Durchsetzung der ursprünglich in Belgien angewandten Demokratieform der Quartiersverträge sind es heute zunehmends die eigenen Nachbarn, die das Gemeinwohl in Vernier in die Hand nehmen. Auch ausserhalb der Gemeinde bleibt das Engagement der Bevölkerung nicht unbeachtet. Am 14. Juni 2013 erhielt Vernier durch seine sogenannten “Contrats de Quartier” die kantonale Auszeichnung für nachhaltige Entwicklung.

Sandmalerei-Atelier mit Einwohnern von Libellules Gordon-Bennett, Quelle: © Ville de Vernier

Partizipation für ein glückliches Zusammenleben

“Wir initiierten das Projekt zur Verbesserung der Lebensqualität der Einwohner, zur Schaffung oder Stärkung der Nachbarschaftsdynamik sowie zur Erleichterung der Interaktion und des Dialogs zwischen den Einwohnern und den Behörden”, so Robin Realini. All diese Ziele konnten durch die Verträge realisiert werden: Durch den Zugang der Bewohner zu politischen Entscheiden konnten in Vernier gesellschaftliche Kluften überschritten und der Zusammenhalt in den einzelnen Quartieren gestärkt werden. Mit einem weiteren Netzwerk innerhalb der eigenen Nachbarschaft wird Hilfe geboten und nachhaltig in den zuvor fehlenden Anschluss zur Wohnumgebung intensiviert. In Vernier war die verbesserte Partizipation der Grundbaustein für eine heute aktive und verbundene Gemeinde – ein Erfolgskonzept, das auch andere bereits mit wenig Aufwand realisieren können.

Das Interview wurde geführt mit Robin Realini, zuständig für die operative Unterstützung der Bezirke.

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